Von Claudia Simone Hoff
Mal eben ganz woanders sein – das hat man sich in den letzten Monaten oft gewünscht. Eine Schaumschlacht schlagen, die Zehen in warmes Wasser tauchen oder einfach nur tagträumen: über das Comeback der Badewanne in Krisenzeiten.
Zugegeben, dem Bad in der Wanne wohnte schon immer ein Hauch von Luxus inne. Schon allein deshalb, weil es mehr Zeit braucht ein Schaumbad zu nehmen, als mal eben unter die Dusche zu springen. Und es dauert, bis die Wanne vollgelaufen und die richtige Wassertemperatur gefunden ist. Aber dann lockt die Kontemplation und danach sehnen wir uns gerade dunklen Zeiten. Das Bad in der Wanne ist eine kleine Alltagsflucht, Entspannung für Körper und Seele und sorgt dafür, für einen Moment ganz bei sich zu sein.
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Das Small Size Premium Spa von Sieger Design ist ein Platzsparwunder. In der Interpretation Broadening Horizons wird ein Bildschirm zum virtuellen Fenster, das eine Außenszene in Echtzeit abbilden kann. Foto: © Sieger Design
Blick durchs Schlüsselloch
Die Wanne ist aber auch ein Ort, an dem man sich und seinen Körper wunderbar inszenieren kann. Man ist nackt, ohne wirklich nackt zu sein – umhüllt von duftenden Badeschaumbergen. Wohl auch deshalb ist die Badewanne äußerst beliebt bei den Stars und den Sternchen, neben dem azurblauen Infinity Pool, versteht sich. Wer erinnert sich nicht an Liz Taylor als Kleopatra im gleichnamigen Hollywood-Film, elegant in einer riesigen runden Wanne sitzend. Oder an Marlon Brando in „Der letzte Tango in Paris“: Lässig hockt er am Beckenrand, um Maria Schneider die Füße zu schrubben. Außerdem in der Badewanne gesichtet: Kim Kardashian und Sylvie Meis. Sie räkeln sich mit ihren Luxuskörpern lasziv im Wasser, lassen hier ein Knie und dort ein Schulterblatt durch den Schaum blitzen – und posten die Szenen öffentlichkeitswirksam und genau dosiert auf Instagram. Dabei sagt die Wanne – Form, Material und Größe – auch etwas über den Lifestyle der Badenden aus, über ihren guten und manchmal auch schlechten Geschmack. Die Wanne ist ein flüchtiger Hauch des Privaten, dem öffentlichen Blick preisgegeben.
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🛁 Dreamy Sunday Morning @weissenhaus #happysunday #frohepfingsten ❤️Werbung wegen Markierung
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Showgirl im Wasser: Sylvie Meis räkelt sich in einer luxuriösen Badewanne aus Kupfer. Foto: © InstagramSylvie Meis räkelt sich in einer luxuriösen Badewanne aus Kupfer. Foto: © Instagram
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Here’s me…not going to the Met Ball tonight. #stayhome #yesyoustillhavetostayhome
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Posen statt Baden: Glamour à la Hollywood bringt Julia Roberts ins Bad, auch wenn sie im Tüllkleid posiert statt im Wasser zu liegen. Foto: © Instagram
Wanne, Nacktheit und die Kunst
Dass das Baden viel mehr als bloße Körperreinigung ist, sondern auch zu tun hat mit Schönheit, Sexualität und Religion, zeigt die Kunst – über alle Epochen und Kulturen hinweg. Gefäße zum Baden jeglicher Art und der Vorgang des Badens an sich waren schon immer künstlerische Motive, als biblische und mythologische Szenen beispielsweise. Oder um Nacktheit jenseits gängiger Moralvorstellungen darzustellen, was insbesondere die Impressionisten im 19. Jahrhundert taten. So zeichnete der französische Künstler Edgar Degas Frauen, die auf dem Badewannenrand sitzen, sich mit einem Schwamm lasziv über den Nacken und die Beine streichen oder mit einem Handtuch abtrocknen. Während bei Pierre Bonnard unverhohlen der nackte Frauenkörper durchs Wasser scheint, bereitet bei Edouard Manet eine nackte Frau mit schwarzen Kniestrümpfen alles vor für ein Bad. Die Wanne ist also nicht erst seit Instagram ein guter Vorwand, den nackten Körper vorzuführen.
Badgeschichte
Ist das Duschen die Pflicht, wird das Baden zur Kür – könnte man sagen. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass man im Wannenbad liegt statt wie unter der Duschbrause zu stehen. Auch deshalb verweilt man gern ein wenig länger im warmen Nass. Kein Wunder also, dass das Wannenbad nicht einfach nur Wasser in einem körpergroßen Behältnis ist. Im Gegenteil: Um das Wannenbad herum entspinnen sich Geschichten und Rituale, die sich mitunter verdichten zu einem Gesamtkunstwerk. Doch so selbstverständlich die private Badewanne heute erscheinen mag: Es dauerte ziemlich lang, bis aus öffentlichen Badeanstalten und der berüchtigten Nasszelle ein Badezimmer mit Wellness-Potential wurde – 100 Jahre, um genau zu sein. Zuerst mussten Ingenieure, Tüftler und Gestalter so nützliche Dinge wie Gasbadeöfen, freistehende Badewannen, Jacuzzis und vollelektronische Durchlauferhitzer erfinden.
In Stein gemeißelt: Das Designstudio Yabu Pushelberg hat für den italienischen Hersteller Salvatori eine Badkollektion aus Naturstein entworfen. Foto: © Salvatori
Wonne & Wellness
Die Badewanne mag das Epizentrum des Badens sein, doch damit aus dem Baden ein Erlebnis wird, muss noch für andere Dinge gesorgt sein: für die richtige Raum- und Wassertemperatur, das zur Stimmung passende Bade-Öl, ein schönes Ambiente-Licht, musikalische Untermalung und flauschige Handtücher. Und nicht zu vergessen: der Raum an sich. Das Badezimmer ist komplex – in funktionaler, technischer und ästhetischer Hinsicht. Und es ist ein Ort, der zum Statussymbol taugt, zum Distinktionsraum, mit dem man guten Geschmack und Trendbewusstsein demonstriert. Es dient dem Rückzug und der Entschleunigung – in unsicheren Zeiten mehr denn je.
Aman Tokyo, Japan – Suite Bathroom and LoungeFoto: © Aman HotSchaumschläger: Beruhigend und pflegend sind die Kräuterbäder von Susanne Kaufmann. Foto: © Susanne Kaufmann
Rose, Lavendel & Vanille: Duftkerzen bringen einen Schuss Sinnlichkeit ins Badezimmer. Foto: © Villa Collection Denmark
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